Trump gegen Clinton: Wirkung und Psychologie politischer Inszenierung

Der Begriff der Persönlichkeit leitet sich vom lateinischen Persona ab. Gemeint ist die Maske des Schauspielers. Das, was durch diese Maske ertönt („durch-tönen“ = lat. Per-sonare), wird von den Wählern wahrgenommen und beurteilt.

Hier beginnt die politische Inszenierung. Sie dient der Wahrnehmungssteuerung. Denn selbst bei einem so wichtigen Akt wie einer Präsidentschaftswahl ist es keinem Wähler möglich, alle vorhandenen Informationen zu recherchieren und abzuwägen. Deshalb arbeiten die Kommunikationsexperten beider Parteien daran, dass die richtigen Botschaften durch die Maske des Kandidaten ertönen. Keine leichte Aufgabe bei einer unkontrollierbaren Rampensau wie Donald Trump.

Umso bedeutsamer waren die Veröffentlichungen der letzten Tage. Die Masken scheinen mehr und mehr zu fallen. Bei Hillary Clinton enthüllt sich wenig Überraschendes. Doch für viele republikanische Parteigenossen zeigt sich eine hässliche frauenverachtende Fratze. Führende Republikaner gingen bereits vor der Debatte öffentlich auf Distanz.

Das konservative Amerika schaut nun durch die Brille der Enthüllungen auf Donald Trump. Ein neuer Wahrnehmungsfilter, der die Beurteilung massiv beeinflusst. Die spannende Frage der vergangenen Nacht lag deshalb vor allem darin, mit welchen Mitteln der Selbstinszenierung Trump versuchte, sein Gesicht hinter der nun gefallenen Maske zu retten. Doch auch die Inszenierung Hillary Clintons wurde mit Spannung erwartet. Denn so zugewandt wie im ersten Duell konnte sie sich aufgrund der aktuellen Umstände nicht mehr zeigen.

  1. Trumps Preshow
    Zur Überraschung vieler Journalisten gab es eine Preshow zur Debatte. Trump zauberte gleich vier Frauen aus dem Hut, die in einer intimen Pressekonferenz kurz vor der offiziellen Debatte Bill Clinton als sexuell übergriffig beschuldigten. Die vier Unterstützerinnen ließ er kurz darauf im Studio platzieren. Durch diesen Schachzug schaffte er es, sich vom absoluten Tiefstatus zu erheben. Er wurde zum Gestalter in einer schwierigen Situation. Psychologisch erhöht das die gefühlte Selbstwirksamkeit – eine wichtige Ressource für den Einstieg in das zweite Duell.
  2. Keine Begrüßung
    Das beide Kandidaten auf Angriff gepolt waren, spürten die Zuschauer bereits zur Begrüßung. Während im letzten Duell Hillary Clinton noch einen Schritt auf Trump zuging und sich väterlich die Schulter klopfen lies, verzichteten beide Kandidaten auf eine respektvolle Begrüßung. Trump hätte hier punkten können.
  3. Clinton fällt in die Ich-Schleife und zeigt sich damit kämpferisch
    Die innere Haltung zeigt sich durch die Wahl der Worte. Gerade die Personalpronomen „Wir“ und „Ich“ sagen viel über die Persönlichkeit aus. Barack Obama strich während seines Wahlkampfs das „Ich“ fast völlig aus seinem aktiven Wortschatz. Das „Wir“ und das damit verbundene „Wir-Gefühl“ standen im Mittelpunkt seiner Kommunikation. Während Trump im letzten Duell mit 284 „Ich“ seiner Ego-Zentrierung Ausdruck verlieh, hielt sich Hillary Clinton eher an die Obama Rhetorik. In der letzten Nacht zeigte sie sich durch eine für sie überdurchschnittlich hohe „Ich-Quote“ als Kämpferin. Das Ganze unterstrich sie durch eine dominante Körpersprache, die im ersten Duell nicht zu sehen war. Insbesondere der Zeigefinger als Dominanzgebärde tauchte häufig  bei ihr auf. Alleine diese Veränderung im Drehbuch Clintons hat enormen Einfluss auf den Gesamteindruck der Kandidatin.
  4. Drei gegen Eins „It’s nice too – one on three“
    Immer wieder unterstellte Trump den beiden Journalisten, dass sie bei Hillary Clinton großzügiger mit dem Zeitfenster wären. Durch die permanente Wiederholung durch Trump entstand tatsächlich der Eindruck, als würde hier mit unterschiedlichem Maß gemessen. Trump nutzt die dauerhafte Wiederholung einer Botschaft ohnehin sehr stark als rhetorisches Mittel, um Wahrnehmung zu steuern. Tatsächlich lag jedoch das Verhältnis der Redebeiträge Trump / Clinton bei 90 zu 60. Trump sprach mit 7288 Wörter insgesamt 16,3 Prozent mehr.
  5. Zugewandtheit – kleine Gesten mit großer Wirkung Manchmal sind es die kleinen Gesten, die Großes bewirken. In einem Townhall-Setting ist es vor allem die Art und Weise, wie man die Fragen der Zuschauer aufnimmt. Clinton arbeitete sich professionell am Publikum ab. Wie im Rheotriktraining gelernt ging sie auf die Fragesteller zu und baute Brücken. Sie fragte nach dem Beruf, wiederholte brav die Namen und zeigte sich überaus wertschätzend. Doch irgendwie wirkte es zu geübt. Trump versuchte in den meisten Fällen erst gar keine Verbindung aufkommen zu lassen. In vielen Fällen scheute er sogar den Blickkontakt. Während Clinton sogar auf Trumps Seite zur Beantwortung der Fragen wechselte, stand Trump oftmals wie angewachsen auf seiner Seite.
  6. Trumps neue Ansprache
    Während Hillary Clinton im letzten Duell in der Ansprache durchgängig das persönliche „Donald“ verwendete, sprach Trump über Clinton auf eine Weise, als sei sie überhaupt nicht anwesend. Tatsächlich hat er sie kaum eines Blickes gewürdigt. Mit „Secretary Clinton“ schaffte er eine Distanz, die offensichtlich bei den Wählern nicht so gut ankam. Diese Ansprache hat er aus seinem Drehbuch gestrichen. Er will damit Nähe schaffen. Interessanterweise hat Hillary Clinton Trumps Strategie übernommen. Im ersten Teil der aktuellen Debatte sprach sie ausschließlich von Donald Trump und würdigte ihn keines Blickes. Die klare Botschaft: „Für mich bist du nicht mehr existent.“
  7. Clintons Unstimmigkeiten
    Es ist nicht einfach zu sagen, warum Clinton nie so wirklich echt wirkt. Eine Erklärung ist die Inkongruenz zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation. Clinton verwendet zum Beispiel überdurchschnittlich häufig das Wörtchen „aber“ bei gleichzeitig positiver Körpersprache. Hier passen Bild- und Tonspur nicht übereinander. Das „aber“ wirkt stark auf unbewusster Ebene und raubt Sympathien. Hier könnte Clinton an sich arbeiten.
  8. Die häufigsten Wörter
    Ein Blick auf die Wortwolken beider Kandidaten zeigt, dass es Begriffe gibt, die bei den Wählern offensichtlich besonders gut ankommen. Hier findet sich eine erstaunlich große Überschneidung der Häufigkeiten. Fast mantramäßig tauchen bei beiden Kandidaten immer wieder die großen drei Begriffe der Amerikaner auf: Country, America, People.

Eine überzeugende politische Inszenierung ist wie eine glanzvolle schauspielerische Darbietung. Inhalt, Konsistenz der Botschaften und Klarheit im Ausdruck sind wichtig. Doch nichts ist bedeutsamer als der Faktor Authentizität. Die Psychologie spricht in diesem Zusammenhang auch von Kongruenz. Denn Authentizität zeigt sich in der Übereinstimmung verbaler und nonverbaler Kommunikation.

Menschen haben seit Urzeiten ein Gefühl für das Echte. Wir sind nun einmal Schwingungswesen. Deshalb hinterfragte auch niemand den Wahrheitsgehalt des am Freitag veröffentlichten Videos. Es hätte ja auch ein amerikanischer Satiriker sein können, der kurz vor der Wahl mit einem talentierten Stimmenimitator einen echten „Böhmermann“ heraushaut. Doch es wirkte einfach zu echt.

Der Auftritt beider Kandidaten führt konsistent das bisherige Inszenierungstheater fort. Clinton arbeitet sich mit größter Akribie immer weiter in ihre Rolle hinein. Sie erinnert uns an die Rolle der fleißigen Einserkandidatin aus Schulzeiten, mit der niemand spielen wollte.

Trump zeigt immer mehr Trump. Vieles wirkt bei beiden Protagonisten bemüht und unstimmig. Hillary Clinton profitiert vor allem vom schlichten Spiel ihres Kontrahenten.

Robert de Niro hat sich am vergangnen Wochenende in einer öffentlichen Videobotschaft gegen Trump geäußert. Der großartige Schauspieler sagte einst über sich selbst: „Ich könnte auch ein Schnitzel spielen!“ Ronald Reagan schaffte vor vielen Jahren durch eine überzeugende Inszenierung und viel Fleiß den Sprung vom Westernschauspieler ins Oval-Office. Das Talent für große Rollen hat ihm dabei sicherlich geholfen. Bis heute wird er von den Republikanern verehrt. Trump zeigt immer mehr Trump. Das reicht höchstens für das Schnitzel.